Der Funkenregen
Ein neues Gottesbild hat der belgische Jesuit Roger Lenaers gezeichnet. Es ist der Abschied vom „Gott-in-der-Höhe“ hin zum Gott als ICH in mir. In den beiden vorangegangenen Blogartikeln habe ich mich in dieses Bild vertieft.
Sein Gottesbild sprengt den traditionellen Kirchenrahmen bei Weitem, es lässt uns die wahre Größe Gottes neu ahnen. Ich kann es in jedem Menschen suchen und finden. Und dann gibt es weltweit nur mehr eine Mission: Den Menschen erinnern an seine Größe, an seine Würde, und an seine Freiheit. Dann ist ein Gebet keine Unterwürfigkeit, sondern loben, danken, unendliche Bewunderung und maßloses Staunen.
„In einer Zeit des Wandels erben die Lernenden die Erde, während die Gelehrten sich wunderbar gerüstet finden, um mit einer Welt umzugehen, die nicht mehr existiert,“ schreibt der amerikanische sozialkritische Philosoph und Autor. Eric Hoffer
Unweigerlich fällt mir bei diesen Worten die Kirche ein und ich stimme mit dem Jesuiten überein, dass viele Kirchenmänner heruntersteigen müssen auf die unterste Stufe der christlichen Gemeinschaft um ihr neu zu dienen
Wer unter Euch groß sein will, sei Euer Diener
Lenaers schreibt:“ Unsere Haltung der Kirchenführung gegenüber darf sich ändern. Sie denkt, sie habe die Pflicht und das Recht, im Namen Gottes zu sprechen, zu belehren, zu befehlen und zu verbieten. Diese Meinung hängt daran, dass Jesus, sitzend zur Rechten des Vaters, dem Papst mittels Petrus Vollmacht und Lehrautorität verliehen haben soll, die von diesem zu den niedrigen Stufen der Hierarchie herabfließt.
Ohne „Gott-in-der-Höhe“ bleibt davon natürlich nichts mehr aufrecht. Weder der Papst, noch die Bischöfe können sich Wortführer Gottes nennen. Auch ihre Worte sind nur Menschenworte, ohne aus sich bindende Kraft zu haben. Ihre Allwissenheit, ihr Anspruch, im Besitz der Wahrheit zu sein, die in der Unfehlbarkeit des Papstes gipfelte, ist eine Illusion.
Was sie sagen, kann freilich weise und nützlich sein, und wir sollen dann aus menschlicher und kirchlicher Verbundenheit mit ihnen das eventuell Wertvolle daraus entnehmen und bewahren. Nicht, weil es von einem Bischof oder Papst kommt, sondern weil unsere Seele es als Funken der Selbstmitteilung Gottes erkennt.
Das große Feuerwerk
wird blass bleiben,
solange Frauen
ihre Stimme nicht
erheben und
gehört werden.
– Sissy Sonnleitner
Von der Gesetzesmoral zur Liebesmoral
Die unglaubliche Sexualmoral der Kirche, die so unsägliches Leid über sie selbst aber auch über ihre Gläubigen gebracht hat, ist natürlich auch unhaltbar. Sie war eine Sammlung aus Verboten, stammend von einer Kirchenführung, die im Namen des gesetzgebenden Gottes in der Höhe zu reden meinte. Ohne sich dafür auf die Schrift berufen zu können, ging sie vom Prinzip aus, dass man sich vor der sexuellen Lust hüten solle, weil sie nur unter ganz bestimmten Bedingungen ethisch geduldet werden kann.
In der modernen, gläubigen Moral soll man davon ausgehen, dass alles, was aus selbstloser Liebe geboren wird, ethisch gut ist. Man kann selber daraus die Folgerungen ziehen für voreheliches Zusammenleben, für homophile Beziehungen, für Geburtenkontrolle, für Wiederverheiratung nach einer in die Brüche gegangenen Ehe. Ehebruch, one-night-stands, Prostitution, Pädophilie widersprechen der Liebesmoral der Moderne ebenso, wie der vormodernen Kirchenmoral.
Entscheidend ist die eigene Gewissensbildung, die Übernahme der Verant-wortung und das Wissen, dass jede Handlung, gut oder böse, eine Folge zeitigt. Eben eine Kausalfolge, wie die Sünde im Buddhismus erklärt wird.
Wir brauchen neue Gebote
Die moderne Moral greift deutlich weiter und tiefer, als die vormoderne. Sie führt z.B. zu einer anderen Haltung dem Besitz gegenüber, indem sie auch Eigentumsunrecht anerkennt. Man denke nur daran, wie die westliche Welt mit den Böden und Ressourcen der dritten Welt umgeht, um den wirtschaftlichen Wahnsinn zu ermöglichen.
Oder sie ruft zu einer ökumenischen Gesinnung auf, die notfalls über die von der Kirchenführung gezogenen Grenzen tritt, weil die Unterschiede zwischen den Kirchen meistens aus eigener Deutung von Schriftworten entstanden sind, die man inklusive Deutung, als ewige Worte Gottes betrachtete und die viel wichtiger und aufgeblasener scheinen, als sie sind.
Die moderne Moral ruft zum Naturschutz auf, weil die Natur als Gottes Erscheinung uns heilig sein muss, oder sie mahnt, den eigenen ökologischen Fussabdruck zum Wohle der Menschheit von heute und morgen so klein wie möglich zu halten. Über solche Dinge lehren die 10 Gebote nichts.
Das beweist den Mehrwert einer neuen Moral, die aus dem neuen Gottesbild folgt.
Nur wenn
jemand
nach dem Weg
fragt,
nützt es,
ihm den Weg
zu zeigen.
Gautama Buddha
Der Funkenregen
Meinen Funkenregen der Selbstmitteilung Gottes haben viele Männer und Frauen der Kirche, aber mindestens so viele außerhalb der Kirche bewirkt und tun es immer noch. Der Funkenregen der weiblichen Christen dümpelt auf sehr niedrigem Niveau im Bereich der Caritas und der niedrigen Tätigkeiten. Beides eminent wichtig und unverzichtbar und auch meistens mit Hingabe geleistet, aber das große Feuerwerk wird blass bleiben, solange Frauen ihre Stimme nicht erheben und gehört werden.
Zum Glück gibt es bereits unzählige Bewegungen, wie Maria 2.0 oder die beeindruckende deutsche Theologin Jaqueline Straub mit ihrem Buch: Wir gehen schon mal vor.
Es wird Raum für viele Frömmigkeitsstile in der Kirche brauchen. Das Bild von Roger Leaners ist sicher revolutionär, nur muss man es den Menschen ja nicht ungewollt aufs Aug‘ drücken. Aber groß und frei zu denken muss möglich sein und das ist die Grundvoraussetzung, wenn die Kirche junge Menschen erreichen will.
Im ersten Petrusbrief 3,15 heißt es: „Seid immer bereit, Rede und Antwort zu geben, wenn jemand fragt, warum ihr so von Hoffnung erfüllt seid.“ Und es entspricht auch einem Wort, das Gautama Buddha zugeschrieben wird:“ Nur wenn jemand nach dem Weg fragt, nützt es, ihm den Weg zu zeigen.“
Wie geht es Dir mit dem Gottesbild des belgischen Jesuiten? Ich freu‘ mich über einen Kommentar.
Herzlichst
Sissy
Liebe Sissy,
in diesen drei aufeinanderfolgenden Blog-Beiträgen sprichst Du etwas so Wichtiges an (und mir dabei aus der Seele):
Bei der Suche nach einem neuen Gottesbild müssen wir „weg vom „Gott-in-der-Höhe“ – hin zum Gott als ICH in mir“ – wie Du so treffend schreibst, wenn Du den belgische Jesuit Roger Lenaers zitierst.
Und dieses dann in jedem Menschen aufspüren und finden!
Du hast eine großartige Gabe, Deinem Suchen Ausdruck zu verleihen. Danke, dass Du uns auf diesem Weg mitnimmst.
Liebe Grüße
Luise
Danke, liebe Luise, für Deinen Kommentar. Ich freue mich sehr, dass Du das Gottes-
bild von Roger Lenaers teilst. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass Gott wesent-
lich größer wird, wenn man das alte Bild sprengt. Und wir brauchen definitiv den großen,
liebenden Gott. Danke fürs Mitgehen.Sissy